Rezension: Katzen, die wir auf unserem Weg trafen

Rezension: Katzen, die wir auf unserem Weg trafen – Lily Magdalen, Titelbild

[Werbung: Vorableseexemplar von dtv] Ich bin mir nicht sicher, was mich an diesem Buch angesprochen hat. Der Titel, sicherlich, der hat mich danach greifen lassen. „Katzen, die wir auf unserem Weg trafen” – what’s not to love? Aber auch, dass es so anders wirkt als das, was ich üblicherweise so lese. Und gleichzeitig brachte bereits die Beschreibung etwas in mir zum Klingen.

Die ersten Seiten ließen diesen Klang dann schnell immer voller werden, bis er mich ganz ausfüllte. Das Buch zog mich geradezu in sich hinein, und ich war so, so froh darum! Schon im ersten Drittel wusste ich, das wird ein Jahreshighlight!

Die Sache mit der Apokalypse

Die Welt wird untergehen. Unausweichlich. Neun Monate noch, bis der Meteorit einschlagen und alles Leben vernichten wird.

So die Ausgangslage in diesem Jugendbuch mit dem leuchtend-bunten Cover. Im Zentrum der Geschichte: Aisha, achtzehn Jahre alt, die bei ihrer Mutter lebt und ihre Schwester June seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hat. Seit June abgehauen ist, weil sie es nicht mehr ausgehalten hat mit ihrer nach mehreren Verlusten in ihrer eigenen Trauer verlorengegangenen Mutter.

Doch so kann man nicht abschließen mit der Welt – und so bricht Aisha zusammen mit ihrem Freund Walter, ihrer Mutter und Walters Eltern (und Streuner-Kater Flohsack) in einem quietschbunten Wohnmobil auf zu einem Roadtrip quer durch Malaysia, um June zu suchen …

„Der schönste Weltuntergang, seit die Erde existiert”, so heißt es auf der Seite des Verlags.

Die Sache mit den Kontrasten

Der Schreibstil ist schlicht, die Kapitel kurz und on point, die Erzählweise wundervoll mäandernd*. Je Kapitel beobachten wir eine Situation oder erfahren wir mehr über einen Ort, eine Figur, einen Hintergrund, und das sowohl in Gegenwart wie auch Vergangenheit – und manchmal sind wir auch nacheinander in beiden Zeitebenen am gleichen Ort.

Das verleiht „Katzen, die wir auf unserem Weg trafen” seinen ganz eigenen Flow. Der bevorstehende Weltuntergang nicht als Katalysator für eine actionreiche Handlung, sondern mehr ein unterschwelliges Summen, der Grundton der Melodie dieses Buches, die sich in einer bemerkenswerten Balance zwischen Hoffnung und Melancholie einpendelt.

Schwere Themen, poetische Erzählweise, wohliges Lese-Gefühl. Mehr Charakterstudie als Plot. Kontraste, die den Sog dieses Buches für mich unwiderstehlich gemacht haben.

Die Sache mit dem Konjunktiv

„Welches Leben hätten wir haben können?” Eine Frage, auf den ersten Blick eindeutig in Richtung Zukunft gestellt, angesichts des bevorstehenden Endes von allem. Aber in diesem Buch auch mit Blickrichtung Vergangenheit. Welches Leben hätten Aisha und June haben können, wäre ihre Mutter nicht nach mehreren herben Verlusten in ihrer Trauer erstarrt. Und was machen sie jetzt daraus, in dem Leben, das ihnen nun einmal gegeben ist.

Sie gehen unterschiedlich damit um, diese beiden so eng verbundenen Schwestern. Da sind Wut und Trotz, die sich Bahn brechen, sich unbedingt Bahn brechen müssen. Und gleichzeitig sind da auch Walter und dessen Eltern, die einen wohltuenden Papayasaft im richtigen Moment reichen, ein Ruhepol im Strudel von Aishas überkochenden Emotionen. Und vielleicht ist da auch Vergebung, trotz allem, irgendwann.

Die Sache mit der Übersetzung

Mein persönliches Leseerlebnis hat es letztendlich nicht getrübt – aber aufgefallen sind mir die Schnitzer in der Übersetzung leider dennoch. „Weltengebäude” für „worldbuilding” ist nicht poetisch, sondern im verwendeten Kontext einfach falsch – und holprig obendrein. Die „Death-Star-Figur” erkennen Star-Wars-Fans natürlich als Todesstern – und wenn die Filme den Begriff ins Deutsche übersetzen, dann darf eine Roman-Übersetzung sich daran gerne orientieren.

Mein persönlicher Pet Peeve in Sachen Übersetzung jedoch: der Genitiv-Apostroph beim Namen Elizabeth. „Elizabeth’ Lächeln” anstatt „Elizabeths Lächeln”, das entlarvt tatsächlich die berüchtigt falsche Aussprache des Lautes –th als -s seitens des Übersetzers. Man mag mich gerne kleinlich nennen, aber das hätte nicht sein müssen. (Wo ist das Übersetzungs-Lektorat, wenn man es braucht?)

Die Sache mit den Erwartungen

Ein wenig verwundert es mich, dass ich beim Verfassen dieser Rezension auf so viele negative Stimmen zu „Katzen, die wir auf unserem Weg trafen” gestoßen bin. Die häufigsten Gründe für die große Enttäuschung über dieses Buch sind, nach schnellem Querlesen: a) dass der Roadtrip gar keinen großen, epischen Raum einnimmt und b), sogar als gravierender wahrgenommen, dass neben Streuner Flohsack tatsächlich keine anderen Katzen in diesem Buch vorkommen.

Normalerweise spielen Rezensionen anderer Lesender keine Rolle, wenn ich meine eigene schreibe. Doch etwas finde ich zu bemerkenswert, um es hier unerwähnt zu lassen: die Sache mit den Erwartungen. Bei einem Buchtitel wie „Katzen, die wir auf unserem Weg trafen” wird eine Erwartungshaltung erzeugt, bevor man das Buch überhaupt liest – und da ist es auch vollkommen unerheblich, dass sich spätestens beim Blick in die Danksagung eröffnet, wie metaphorisch der Titel seitens der Autorin gemeint war. Wenn man ein Buch aufschlägt mit der Erwartung, dass zahlreiche Katzen-Begegnungen die Handlung prägen, diese dann jedoch ausbleiben, kann das ein ganzes Lese-Erlebnis trüben. Ebenso, wenn Klappentext und Cover mehr Action versprechen (Roadtrip quer durch Malaysia bei bevorstehendem Weltuntergang), als das Buch dann tatsächlich bietet (Schwerpunkt auf intimen Familien-Momenten).

Als Lektorin betone ich es selbst häufig genug: Buchtitel, Buchcover und Klappentext bilden einen Dreiklang – der darüber entscheidet, ob und mit welchen Erwartungen Lesende das Buch in die Hand nehmen. Ein Buch kann noch so gut sein, wenn es andere Erwartungen geweckt hat, als es erfüllt, überwiegt für viele die Enttäuschung.

Etwas, das ich als Autorin für künftige Geschichten selbst im Blick behalten darf.

Mein Fazit (davon ungebrochen)

„Katzen, die wir auf unserem Weg trafen” hat mich tief berührt! Und ist definitiv eines meiner diesjährigen Lese-Highlights. (Dass mir während der letzten drei Kapitel durchgehend die Tränen laufen, das muss ein Buch erst einmal schaffen.)

Geht es inhaltlich zwar um die unausweichliche Apokalypse, um Verlassens- und Verlusterfahrungen in der Familie, fühlt sich dieses Buch dennoch einfach nur warm und weich und hell an. Eine leuchtende Besonderheit!

„*Mäandern ist okay”, hatte Robert gesagt. „Alle Wege führen irgendwohin. […] Selbst wenn sie lang und verschlungen sind.”

– Nadia Mikail, „Katzen, die wir auf unserem Weg trafen”

„Katzen, die wir auf unserem Weg trafen”, Nadia Mikail

Jugendbuch (ab 14), dtv

ISBN : 978-3-423-65045-8

Erscheinungsdatum: 14.08.2025
1. Auflage

16,00 € [DE] – 16,50 € [AT]

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