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Eine Geschichte, die sich vertraut anfühlt: “Der Treue Troll”

Ich starte die Herumor-CD und schlage gleichzeitig das Buch auf. Während erst Flöten- und dann Geigenklänge mich sanft willkommen heißen, führen Holger Muchs Bilder Doppelseite für Doppelseite zunächst durch bereits vertraute (Zwielicht-)Geschichten: von Tentakeln in bodenlosen Untiefen zur sturmumtosten Meeresoberfläche, deren Wellen sich am Dunklen Turm brechen, vorbei an einer in den Wellen spielenden Nixe, hin zur Flussmündung, vorbei auch an Knochenmann und Vöglein, bis hinein ins Gebirge, wo steile Berghänge sich aus tiefen Schatten erheben. Dort wartet Asp Sprengs neueste Zwielichtgeschichte: die Geschichte vom Treuen Troll.

Diese erneute Kollaboration von Asp Spreng und Holger Much – der dieses Mal neben den Illustrationen auch zauberhafte Flötenklänge beigesteuert hat – bescherte mir beim ersten Lesen und Hören ein Gefühlserlebnis, das mich lange nicht losließ. Das Bedürfnis, darüber zu schreiben, ließ mich nicht los.

Eine zeitlose Geschichte und ein vertrautes Gefühl

Anfang März kam ein Paket voller Neuheiten aus dem Hause “Herz & Verstand” bei mir an. Als Erstes – vielleicht weil ich wusste, dass mich alles andere danach erst einmal verschlingen würde – nahm ich mir Zeit für den Treuen Troll, für Buch und Ballade. Und auch wenn ich mit der Erwartung herangegangen bin, dass es großartig werden würde, hatte ich keine Ahnung, wie viel beides in mir auslösen würde, sowohl Seh- als auch Hörerlebnis. Ich saß auf meiner Couch, das Buch auf dem Schoß, und war erfüllt von einem Gefühl, das ich erkannte. Das ich begrüßte wie einen lange verschwundenen Freund.

“Das waren die Geschichten, die einem im Gedächtnis bleiben. Die irgendwas zu bedeuten hatten, selbst wenn man noch zu klein war, um sie zu verstehen.” Samweis Gamdschie

Es war dasselbe Gefühl, das ich als Sechzehnjährige empfand (mein halbes Leben her), als ich zufällig das Buch “Das letzte Einhorn” in der Stadtbücherei gefunden hatte und daheim vollkommen darin versank. Geschichten, die etwas zu bedeuten haben. Deren Bedeutung darin liegt, wie sie sich anfühlen. Eine solche Geschichte ist auch der Treue Troll.

Eine zeitlose Geschichte. Eine Geschichte, die sich anfühlt wie in der Tradition mündlicher Überlieferungen. Die sich vertraut anfühlt. Die sich alt anfühlt. Als war sie bereits lange in der Welt, bevor Asp sich entschieden hat, sie zu erzählen.

Das Schwere und das Spielerische

Der Treue Troll ist kein Fast Food, weder als Buch noch als Lied. Nichts, was sich mal eben weg-konsumieren lässt. Die Geschichte verlangt nach Zeit. Nach mehr Zeit als die fast zwölf Minuten eines einzigen Durchgangs des Liedes.

Es ist eine langsam erzählte Geschichte. Und ich mag langsam erzählte Geschichten.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich ihr Inhalt theoretisch in zwei Sätzen zusammenfassen ließe.

Asp jedoch fasst nicht zusammen. Asp erzählt.

In einem getragenen Rhythmus. Ein wohl gewählter Satz nach dem anderen.
Hypnotisch bis klagend. Schwelgend bis sehnsuchtsvoll.

Der Gesang ist jedoch längst nicht alles. Asp schenkt der Geschichte Raum durch mehr als nur ein Medium so gekonnt, dass sich mir auch nach wiederholtem Zuhören noch nicht jede Lage erschlossen hat. Stimme. Worte. Klänge. Bilder. Alles ist verflochten, alles greift ineinander.

Das Große und das Kleine

Und erneut fügen sich Holger Muchs Bilder nahtlos in diese Vielschichtigkeit ein, sind untrennbar ein Teil davon. Auf 80 Seiten spielt er in Varianten desselben Motivs mit Perspektive und Licht, mit Wetter und Zeit, Realität und Traum.

Dunkelheit vibriert in den Tiefen der Ballade wie auch in jenen der Bilder.

Geige und Flöten tanzen durch das Lied wie flatternde Wesen durch das Buch, wie die Schmetterlinge vor einem träumerischen Mond.

Schmetternde Melodien und langsam auserzählte Töne ziehen hinein in eine unglaubliche Weite, mit der sich Holger Much selbst übertroffen hat. Landschaften, die sich im Dunst verlieren. Lichtstrahlen, die durch Wolkenberge brechen.

Das ganz Große ist in diesen Bildern und das ganz Kleine. Eine Träne, ein Blütenblatt. Die Silhouette eines Vogels im strömenden Regen.

Asp Spreng und Holger Much. Was diese beiden in Kombination gemeinsam erschaffen, ist einzigartig. Ich verneige mich vor so viel geballter Schaffenskraft und bin gespannt, ob da in einer nahen oder fernen Zukunft noch mehr kommen wird.

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Der Treue Troll. Asp Sprengs Zwielichtgeschichten, Band 5
Buch + CD

Zeichnungen: Holger Much
Text und Idee: Asp Spreng
Song “Die Ballade vom ‘Treuen Troll’”: Herumor

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